„Im Einzelhandel wird sich vieles ändern durch und nach Corona!“

Interview mit Alexander Bücken, Vorsitzender von „Einkaufen in Overath“

Die Werbegemeinschaft aus Einzelhändlern und Dienstleistern hat das Ziel, Overath als attraktiven Standort zu erhalten und zu stärken. Wir haben mit dem Vorsitzenden Alexander Bücken gesprochen.

„Herr Bücken, am 20. April durften einige Einzelhandelsgeschäfte unter Auflagen wieder öffnen, andere müssen noch warten. Was sagen Sie, was sagen Ihre Kollegen zu dieser verordneten Ungleichbehandlung: Nachvollziehbar oder ungerecht?“

Bücken: „Diese erste Lockerung ist für den Einzelhandel ein positives Signal. Dass manche Läden noch geschlossen bleiben müssen, ist bitter aber letztlich nachvollziehbar. Jede Stufenregelung ist immer irgendwie ungerecht. Aber auch für uns Einzelhändler gilt: Die Gesundheit der Menschen, unserer Kunden, hat Vorrang. Von daher ist die Entscheidung, Geschäfte mit engem Kundenkontakt wie Frisöre, Nagelstudios, Boutiquen oder Gastronomiebetriebe später zu öffnen, verständlich. Ich empfinde die momentane Situation im Übrigen wie einen Ritt auf der Rasierklinge: Nicht, dass es demnächst heißt, dass die Läden wieder zumachen müssen. Und was die Teilöffnung angeht: Niemand von uns weiß genau, wie es laufen wird.

„Noch hat unsere Hauptstraße in Overath-Zentrum einen guten Besatz an qualifizierten Einzelhandelsgeschäften. Niemand weiß, ob die Corona-Krise Auswirkungen haben wird, dies nachhaltig negativ zu ändern. Vor allem beschäftigt viele Bürger die Frage: Wie lange halten unsere Geschäfte das noch durch? Ihre Einschätzung?“

Bücken: „Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Situation ist von Fachgeschäft zu Fachgeschäft eine andere. Diejenigen, die auf Bestellung und Lieferservice umstellen konnten, sind noch am besten dran. Um die, deren Umsätze von Hundert auf Null eingebrochen sind, beispielsweise Boutiquen, Reisebüros, Gastronomen, Frisöre, mache ich mir die meisten Sorgen. Da kann man wirklich nur hoffen, dass die staatlichen Hilfsgelder auch tatsächlich schnell und unbürokratisch ankommen. Am Beginn klappte das hervorragend. Aber ab Anfang April lief wegen der Missbrauchsfälle dann 14 Tage lang gar nichts mehr. Für kleine Ladenbetreiber kann das verheerende Folgen haben.

„Sie erfahren aber auch viel Solidarität und Unterstützung durch die Kundschaft, oder?“

Bücken: „Das gehört zu den positiven Erfahrungen in der Krise: Viele Kunden sind gerade in schwierigen Zeiten extrem treu. Auf Facebook laufen pausenlos Unterstützer-Kampagnen. Es gibt rührende Zeichen der Solidarität. Ein Kunde sagte: Geben Sie mir Ihre Kontonummer, ich überweise ihnen Geld. Dann habe ich ein Guthaben für später. Ich habe ihn an die Gastronomie verwiesen, die das nötiger hat als ich.

„Gab es Schwierigkeiten mit Ordnungsamt und Polizei? Gibt es Kontrollen?“

Bücken: „Kontrollen gab und gibt es. Aber das Ordnungsamt geht sehr besonnen vor. Regeln, auch von der Stadt gesetzte, sind einzuhalten. Für individuelle, praktische Lösungen haben die Mitarbeiter der Stadt aber stets ein offenes Ohr. Der Abholservice meiner Buchhandlung z. B. geht auf einen Vorschlag des Ordnungsamtes zurück und wurde von ihm abgesegnet. Nein, es gibt keine Probleme mit städtischen Behörden. Alles gut.

„Wird die Overather Einzelhandelslandschaft nach der Krise noch so aussehen wie vorher? Oder wird sich manches verändern?“

Bücken: „Einiges wird sich nachhaltig verändern, da bin ich mir ganz sicher. Weil sich das Bewusstsein vieler Kunden in der Krise gewandelt hat, wird auch das Einkaufsverhalten ein anderes werden. Zum Beispiel kommen Kunden bewusst zurück. Aus ganz praktischen Gründen: Amazon hat zurzeit bis zu vier Wochen Lieferfrist. Da bin ich bei Buchbestellungen deutlich schneller. Und wir liefern auf Rechnung frei Haus ab 25 EUR Bestellwert. Andere sagen: Wir wollen, dass dieses oder jenes Fachgeschäft in Overath bleibt, trotz Corona. Es gibt also krisenbedingt auch positive Entwicklungen, hervorgerufen durch Bewusstseinsveränderungen. Viele Kunden sind verwöhnt und möchten den jetzigen Lieferservice auch in normalen Zeiten nicht mehr missen. Das würde einen nachhaltigen Mehraufwand bedeuten. Da muss ich prüfen, ob ich das mit meinem Team auf Dauer überhaupt hinbekomme. Die Kunden sind durch die Bank viel online-affiner als früher. Es ist spannend, was da passiert. Das birgt Chancen auch für Einzelhändler, man muss nur positiv und innovativ darauf reagieren. Und was die Hauptstraße als Einkaufsmeile betrifft: Einige Läden werden die Krise vermutlich nicht überstehen. Es darf aber keinen Dominoeffekt geben. Einen schleichenden Exodus von Fachgeschäften aus der Hauptstraße, den gilt es zu verhindern. Dabei ist jedes Fachgeschäft gleich wichtig. Und jeder Kunde. Denn die Overather Kundschaft hat es letztlich in der Hand, was aus dem Einkaufsstandort Overath wird.

„Ihr Fazit, Herr Bücken?“

Bücken: „Ich bin und bleibe allen Widrigkeiten zum Trotz verhalten optimistisch. Die Regierungen in Bund und Land machen bei der Krisenbewältigung einen guten Job und die Bevölkerung zieht mit, ist äußerst diszipliniert. Das macht bei allen Schwierigkeiten unglaublichen Mut. Gemeinsam werden wir die Krise überwinden. Und daraus lernen. Betrachte ich die Auswirkungen der Pandemie weltweit, dann muss ich ehrlicherweise sagen: Ich bin froh, dass ich in Deutschland lebe!

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